Totenfotografie - das letzte Bild
Die Wiederkehr eines alten Brauches
Es gehört zu den kulturellen Gepflogenheiten des christlich-abendländischen Kulturkreises, der Nachwelt ein letztes Abbild Verstorbener zu erhalten. Neben dem in Stein gemeißelten Bildnis wurde das „letzte Gesicht“ auch mit Federzeichnungen und in Gipsabdrucktechnik – der sogenannten Totenmaske – konserviert. Im 20. Jahrhundert kam dann die fotografische Wiedergabe des Antlitzes der Toten hinzu. Der Münsteraner Biologe und Fotograf Dr. Martin Kreuels bezieht sich ausdrücklich auf diese alte Tradition, wenn er nunmehr bundesweit die Dienstleistung der Totenfotografie anbietet. Erstellt werden in professioneller Technik in erster Linie Totenporträts. Doch auch Sterbende begleitet Kreuels mit der Kamera. Er versteht es, dabei die Würde des Menschen nicht nur zu wahren, sondern fotografisch zu verdichten.
Was kann das letzte Gesicht aussagen?
Angehörige reagieren auf sein Angebot zunächst oft zurückhaltend. Sie weisen darauf hin, dass sie den Verstorbenen lieber so in Erinnerung behalten möchten, wie sie ihn zu Lebzeiten gekannt haben. Das erscheint zunächst verständlich, doch ist das „letzte Porträt“ weitaus mehr als nur das Festhalten eines allerletzten Momentes. Im Augenblick des Todes bekommt das menschliche Gesicht einen Ausdruck, den es in dieser reinen Form zu Lebzeiten nie hatte. Alles Sinnen und Trachten, alles Irren und Sehnen, jede Last und Sorge wird im Augenblick des Todes abgestreift. Es bleibt der reine, geklärte Ausdruck als Abbild des inneren Wesens eines Menschen. Insofern versteht Kreuels das letzte Bildnis nicht als Ersatz, sondern als Abrundung der persönlichen Erinnerung. Doch ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Viele Menschen möchten es nicht wahrhaben, dass sie Lebenspartner, Elternteil oder auch ein Kind wirklich verloren haben. Die Bestattung bleibt manchmal merkwürdig abstrakt, das Erlebnis des Todes eines Angehörigen wird oft noch Wochen später als irreal empfunden. Das letzte Porträt hilft vielen Menschen, das Geschehene zu akzeptieren und den Abschied zu verarbeiten. Von einigen Angehörigen und auch aus eigener Erfahrung weiß Kreuels, dass ein Porträt die Zwiesprache mit dem verstorbenen Menschen erleichtern kann.
Professionalität ist gefragt, nicht nur als Fotograf!
Kreuels ist ein Fotograf, der aus der Auseinandersetzung mit eigenen Lebenserfahrungen zu diesem sehr speziellen und persönlichen Thema kam: Der vierfache Vater hat nicht nur im vergangenen Jahr seine Frau verloren; in den Jahren zuvor hatten er und seine Frau überdies zwei Fehlgeburten zu bewältigen. Totenfotografie hat nichts mit voyeuristischer Neugier zu tun und hat auch nichts Morbides, sondern bleibt zu jedem Augenblick etwas zutiefst Menschliches. Dennoch bleibt es sehr schwierig für den Fotografen, als Fremder sich in die äußerst intime Situation des Todes oder des Sterbens anderer Menschen hineinzufinden. Er muss fotografischer Profi bleiben und zugleich menschliche Nähe vermitteln. Den Tod als Bestandteil des Lebens aus nächster Nähe zu erfahren, ist immer eine schmerzhafte und intensive Erfahrung. Über die Einsicht in das Unvermeidbare kommt es aber oft auch zu einer tiefen Aussöhnung mit dem Leben selbst und seinen Widersprüchen und Härten – etwa dann, wenn ein neugeborenes Kind stirbt.
Besonders sensibel: Totenporträts von Neugeborenen
Geburten sind eigentlich ein freudiges Ereignis. Doch leider gibt es immer wieder auch Geburten, die nicht gut ausgehen: Das Kind kommt tot zur Welt oder stirbt in den Tagen nach der Geburt. Das sind Ereignisse, die Angehörige ratlos und traurig zurücklassen. Betroffene Eltern wehren zunächst ab, wenn die Hebamme sie auf die Möglichkeit hinweist, ein letztes Porträt erstellen zu lassen. Verständlich – denn im Normalfall kommt gerade dem ersten Bild des Neugeborenen ein besonders hoher Stellenwert zu. Andererseits ist das „letzte Porträt“ gerade in diesem Fall weitaus mehr als nur das Festhalten eines allerletzten Momentes. Ein solches Porträt eines toten Säuglings zeigt den reinen, fast engelsgleichen Ausdruck eines Menschen, der nie ins Dasein getreten ist und weder Gutes noch Böses getan oder erfahren hat. Kreuels versteht das letzte Abbild auch hier als wichtige Marke der persönlichen Erinnerung.
Text: Lutz Meyer, Laer
Unser Partner:
Dr. Martin Kreuels
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